Mein erster grosser Schritt in der homöopathischen Behandlung besteht darin, ein möglichst vollständiges und genaues Bild Ihrer Beschwerde aufzuzeichnen. Um tiefgreifend zu heilen ist es essentiel, diejenige Arznei zu finden, welche nicht nur die oberflächlichen Krankheitsymptome abdeckt, sondern den Menschen mit all seinen körperlichen, emotionalen, geistigen und seelischen Merkmale als Ganzes erfasst. Dieses Erstgespräch wird in der Homöopathie Anamnese genannt und erfolgt – wie nachfolgend beschrieben – in verschiedenen Sequenzen und durchdringt verschiedene Tiefen.
« DIE GESPRÄCHE, DIE WIR MIT UNSEREN PATIENTEN FÜHREN, SIND DER WICHTIGSTE TEIL DES GANZES PROZESSES »
Brian Kaplan, Arzt und Homöopath
Im ersten Abschnitt – Spontanbericht genannt – lasse ich Sie als Patient/in Ihre Beschwerden frei und ohne Unterbrechung schildern. Wichtig ist, dass Sie in dieser Phase alle Symptome ungezwungen und spontan zur Sprache bringen. Wenn Sie zum Beispiel wegen Arthritis zu mir kommen, sind auch ihre Blähungs- und Heuschnupfensymtpome sowie auch Ihre Lebensituation wichtig.
«Diese individualisierende Untersuchung eines Krankheits-Falles … verlangt von dem Heilkünstler nichts als Unbefangenheit und gesunde Sinne, Aufmerksamkeit im Beobachten und Treue im Aufzeichnen des Bildes der Krankheit»
aus dem Organon (= Werkzeug) der Heilkunst, 6. Auflage, Samuel Hahnemann, 1921, §83
In einem weiteren Abschnitt – dem gelenkten Bericht – werden die homöopathisch nicht verstandenen und unvollständigen Symptome von mir überprüft und ergänzt. Eine genaue und differenzierende Beschreibung der Beschwerde ist essentiel, weil homöopathische Arzneien nicht nach Krankheitsnamen verordnet werden. Diese offene Befragung vollziehe ich mit den soganannten homöopathischen W-Fragen.
?? … Wo genau ist die Beschwerde … Lokalisation und eventuelle Ausstrahlung …
?? … Wie empfinden Sie die Schmerzen … Wie tönt der Husten … Wie ist die Beschaffenheit der Absonderungen … usw …
?? … Was bessert … Was verschlechtert Ihre Beschwerden … Umstände, Einflüsse … Modalitäten genannt – in akuten Fällen sind sie oft wegweisend für die Mittelwahl …
?? … Warum … Causa, Ursache … Gibt es einen deutlichen Grund weshalb die Beschwerden aufgetaucht sind …
?? … Wann sind die Beschwerden aufgetreten … Seit Wann … Gibt es eine bestimmte Zeit des Auftretens …
?? … Was sonst noch … Begleitsymptome … Begleitzustände … WAS MACHEN DIE BESCHWERDEN MIT IHNEN?
Foto©Paul Duri Degonda
Im dritten Abschnitt der Anamnese – aktive Befragung genannt – möchte ich Sie als ganze Persönlichkeit spezifisch erfassen und Sie als Mensch kennenlernen.
Ich stelle homöopathische Fragen wie zum Beispiel:
«… Wie ist Ihr Appetit …»
«… Was Essen Sie gerne und was nicht …»
«… Sind sie heiss- oder kaltblütig, wann schwitzen Sie …»
«… Wie reagieren Sie auf Wettereinflüsse …»
«… Wie ist Ihr Schlaf, in welcher Lage schlafen Sie normalerweise …»
«… Können Sie sich an Träume erinnern …»
«… was träumen Sie …».
Ihre Antworten sind sehr hilfreich, um Ihren ganzen Organismus möglichst individuell und auch eindeutig abgrenzend homöopathisch zu erfassen.